www haematologie onkologie 2020 com 191 ANFÄNGE DER HÄMATOLOGIE UND ONKOLOGIE Die Geschichte des Bindestrich Fachgebietes Hämatologie Onkologie ist überaus komplex Bis in die siebziger Jahre des 20 Jahrhunderts gab es kaum Berührungspunkte zwischen dem kleinen Kreis der Hämatologen Transfusionsmediziner eingeschlossen und jener heterogenen Gruppe von Gynäkologen Chirurgen Pathologen und diversen Krebs und Tumorforschern Blutkrankheiten und Krebs waren auf dem Tableau der nosologischen Kartographie so weit entfernt wie verschiedene Kontinente Ihr Zusammenwachsen historisch aufzuarbeiten ähnelt in etwa dem Versuch die Kulturgeschichte der Etrusker neben der der Azteken zur Darstellung zu bringen Erst ein tektonisches Geschehen von ungeheurem Ausmaß die nahezu vollständige Zerschlagung der vor dem Krieg bestehenden deutschen Krebsforschung im Dritten Reich führte dazu dass es die Hämatologen waren die 1946 den aus Amerika zugeworfenen Ball der Chemotherapie Leukämien und Lymphome auffingen ihr Proprium der Morphologie ausweiteten und zu Spezialisten der systemischen Therapie wurden zusätzlich trennte man sich im Westen Deutschlands von Bluttransfusion und Blutspendewesen in der DDR erst nach der Wende 1990 Im Zuge dieser strategischen Verschiebung blieb freilich in der BRD die internistische Behandlung der soliden Tumore in der Entwicklung zurück und hing bis etwa 1975 gewissermaßen heimatlos zwischen den herkömmlichen Disziplinen von Messer und Strahl Der Terminus Onkologie setzte sich im deutschen Sprachraum erst in den letzten vierzig Jahren durch Erweiterung der DGH zur DGHO 1977 und profilierte sich in dieser Zeit zu jener internistischen oder Medizinischen Onkologie wie sie heute das gesamte Spektrum der systemischen Krebstherapie umfasst und seit 2013 im Namen der DGHO verankert ist Mit der Aufarbeitung dieses Werdegangs und der Entstehungsgeschichte der je eigenen Disziplinen Hämatologie und Krebsforschung ist die Historische Forschungsstelle der DGHO betraut eingerichtet 2012 auf Initiative des damaligen Vorsitzenden Gerhard Ehninger Nur wenige andere Fachgesellschaften leisten sich eine solche hauptamtlich besetzte Stabstelle Von Jahr zu Jahr voranschreitend veröffentlichte sie bisher sechs Monographien Titelliste auf der Homepage der DGHO Die quellenbasierten Forschungsergebnisse brachten immer neue Überraschungen zutage die ebenso medizinhistorisch wie kultur und mentalitätsgeschichtlich von Interesse sind und paradigmatischen Rang beanspruchen dürfen BRÜCHE UND VERWERFUNGEN ALLIANZEN UND SCHISMEN TABUS UND ERINNERUNGSVERLUSTE An erster Stelle galt es die verfemten und ermordeten Opfer aus dem Kreis der Hämato Onkologen zu ermitteln und ihnen nach Jahrzehnten des systematischen Verschweigens ein Gesicht zu geben Auch wenn die Wissenschaft längst über ihre Forschungen hinweggegangen ist haben sie ein Recht darauf in ihrer Rolle als Akteure zum Teil sogar als global player der internationalen Hämatologie und Onkologie gewürdigt und festgehalten zu werden so etwa Hans Hirschfeld Ferdinand Blumenthal Richard Werner Wilhelm Caspari oder die Generalsekretäre George Meyer Berlin und Jacques Bandaline UICC Paris Sodann stellte sich die Aufgabe die institutionelle Herausbildung von hämatologischen Fachabteilungen und von Krebsinstituten zu dokumentieren sofern sie ebenso wie ihre oftmals jüdischen Betreiber sang und klanglos untergegangen waren oder wie im Fall des ältesten deutschen Krebsinstituts an der Charité in Unkenntnis der Geschichte in jüngster Zeit abgerissen wurden siehe Erinnerungsort Krebsbaracke 2014 Ein wichtiger Schritt in der Formierung einer medizinischen Disziplin war stets die Gründung von Fachgesellschaften mit ihren Publikationsorganen und ihren periodischen Zusammenkünften und Kongressen Man kann nur staunen welche Lücken sich hier auf dem

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